Versteht die Regierung den Unterschied zwischen Verzicht und Verzehr?

Altdorf, 28. April 2025
Medienmitteilung zur Antwort des Regierungsrats auf die Kleine Anfrage von Landrat Jonas Imhof (SP, Altdorf) zu «Neue Bestimmung zum Vermögensverzicht im revidierten Urner Sozialhilfegesetz»

Versteht die Regierung den Unterschied zwischen Verzicht und Verzehr?

Die Geschäftsleitung der SP Uri ist von der Antwort des Regierungsrats auf die Kleine Anfrage von Landrat Jonas Imhof zu «Neue Bestimmung zum Vermögensverzicht im revidierten Urner Sozialhilfegesetz» nicht zufrieden. Die Antworten sind unpräzise, ausweichend und spekulativ. Zudem fragt sich die GL, ob die Regierung den Unterschied zwischen Vermögensverzicht und Vermögensverzehr versteht.

Neu soll Vermögensverzicht, zum Beispiel ein Geschenk an die Enkelin oder eine Spende, Jahre später zu Kürzungen bei der Sozialhilfe führen. Diese Regelung bestraft keinen «Missbrauch», sondern trifft normale Bürger:innen, die in guten Zeiten Verantwortung für die nächste Generation übernehmen oder Hilfsbedürftige unterstützen. Das schafft Misstrauen statt Eigenverantwortung, und dies gegenüber den Schwächsten in unserer Gesellschaft.

Regierung weicht aus
Bereits bei der ersten Frage von Landrat Jonas Imhof, ob die vorgesehene Anrechnung von Vermögensverzicht bei der Berechnung des Anspruchs auf wirtschaftliche Sozialhilfe mit den SKOS-Richtlinien und der Bundesverfassung (BV) vereinbar sei, weicht die Regierung aus. Dabei ist die Sachlage glasklar: Gemäss einem Bundesgerichtsurteil darf die Sozialhilfe – ausser in Fällen des Rechtsmissbrauchs – nicht wegen Vermögensverzicht verweigert werden. Ob die Bedürftigkeit als selbst verschuldet betrachtet wird oder nicht, ist unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des Artikels 12 BV unerheblich. Dies entspricht dem sogenannten Prinzip der Ursachenunabhängigkeit. Auch die SKOS rät strikt von einer Anrechnung des Vermögensverzichts ab.

Statt die Frage mit einem klaren «Nein» zu beantworten, verweist die Regierung trocken auf den Artikel zur Nothilfe, welcher auch bei einem Ausschluss von der wirtschaftlichen Sozialhilfe greife. «Dabei werde das Wort ‘menschenwürdiges Dasein’, welches die Bundesverfassung fordert, einfach mal so ignoriert», stellt Jonas Imhof entsetzt fest. Denn die erwähnte Nothilfe umfasst lediglich die zeitlich
befristete minimale Grundversorgung. Sie gewährleistet Obdach, Nahrung, Kleidung und die medizinische Notfallversorgung und liegt zwischen 8 bis 10 Franken pro Tag. Die Anrechnung von Vermögensverzicht führt im Extremfall dazu, dass nur ebendiese Nothilfe geleistet wird. Erachtet der Regierungsrat eine befristete, minimale Grundversorgung weit unter dem Existenzminimum, tatsächlich als menschenwürdiges Dasein? Wir hoffen es nicht!

Alle sind Betrüger
Die Regierung begründet die Aufnahme von Artikel 26 ins Urner Sozialhilfegesetz damit, «Missbrauch vorzubeugen und sicherzustellen, dass Personen nicht absichtlich auf Vermögen verzichten, […], dies im Wissen trotzdem Sozialhilfe zu erhalten und dadurch das Sozialsystem zu belasten.» Die Regierung geht also von betrügenden und das System ausnützenden Menschen aus. «Dieses Menschenbild ist der komplett falsche Ansatz bei der Ausarbeitung eines modernen Sozialhilfegesetzes!» so Landrat Jonas Imhof. Er ist der Meinung, dass «hilfsbedürftige Personen im Zentrum stehen müssten, und nicht im Vornherein als Betrüger verdächtige Menschen.»

Verzicht ist nicht gleich Verzehr
Wie unsorgfältig die Regierung die Kleine Anfrage beantwortet, zeigt sich bei den Begriffen «Vermögensverzicht» und «Vermögensverzehr». Die SP hat den Eindruck, dass die Regierung den Unterschied nicht versteht.
Die Gemeinden messen der Aufnahme des Vermögensverzehrs in die Gesetzgebung eine hohe Relevanz bei, nicht aber dem Vermögensverzicht. Dies ist ein wesentlicher Unterschied: Der Vermögensverzehr kann in der Alltagspraxis sehr einfach angewendet werden. Deshalb wünschen die Gemeinden, dass dieser Vermögensverzehr in der Revision nun ausdrücklich geregelt wird.
Die von Imhof gestellte Frage bezog sich nicht auf den Vermögensverzehr und zielte auch nicht auf die Haltung der Gemeinden oder der politischen Parteien ab. Trotzdem geht die Regierung in ihrer Antwort darauf ein, verschweigt allerdings gleichzeitig, wie die Gemeinden zum Vermögensverzicht stehen. «In mir erweckt dies den Eindruck, dass die Regierung bewusst diejenigen Punkte herauspickt,
welche die Gesetzesvorlage unterstützen. Sämtliche kritischen Punkte werden unter den Teppich gekehrt. Eine objektive Meinungsbildung wird so verunmöglicht», so Jonas Imhof.

Wurden Fachpersonen miteinbezogen?
Bei der Umsetzbarkeit des Vermögensverzichts in der Praxis räumt die Regierung gewisse Herausforderungen ein. Der verursachte Mehraufwand wird dann allerdings kurz und knapp mit «nicht hoch» abgetan und Erfahrungsberichte aus anderen Kantonen als «nicht vorliegend» kommentiert. Die SP Uri fragt sich, wie stark die mit der Umsetzung beauftragten Fachpersonen bei der Beantwortung dieser
Frage tatsächlich miteinbezogen wurden und wie intensiv der Austausch mit anderen Kantonen betreffend Erfahrungsberichte tatsächlich war.
Die Antwort des Regierungsrats auf die Kleine Anfrage von Landrat Jonas Imhof hat einen äusserst faden Beigeschmack und es scheint, als wäre die Regierung selbst nicht richtig überzeugt von der neuen Bestimmung zum Vermögensverzicht. Dies verwundert Jonas Imhof wenig: «Eine solche Bestimmung gehört schlicht und einfach nicht in ein revidiertes Sozialhilfegesetz.»
 

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